Grundwissen Grammatik
Darunter versteht man das Phänomen, dass im Mittelhochdeutschen im Präteritum vieler schwacher Verben kein Umlaut vorhanden ist, während im Präsens die Verben umgelautet sind.
Achtung: Auch das E gilt häufig als Umlaut von einem A. Deshalb spricht man sogar im Neuhochdeutschen beim Wort 'brennen' von einem "Rückumlaut", weil die Präteritumsform ein A enthält: es 'brannte'.
Bei der Suche nach der richtigen Infinitivform muss man also damit rechnen, dass ein Rückumlaut vorliegt. Dann sucht man im Lexikon unter 'brennen' und nicht unter '*brannen'.
Mögliche Vokale bei rückumlautenden Verben:
e⇿a
ä⇿a
æ⇿â
iu⇿û
ü⇿o
ü⇿u
üe⇿uo
œ⇿ô
öu⇿ou
Der blau gekennzeichnete Vokal rechts stellt den Präteritumsvokal dar!
Daneben gibt es Sondererscheinungen, bei denen folgende Vokale sich im Präsens bzw. Präteritum gegenüberstehen:
e⇿â (denken - dâhte)
ê⇿a (kêren - karte)
ê⇿â (kêren - kârte)
i⇿o (wirken - worhte)
i⇿â (bringen - brâhte)
u⇿o (ermurden - ermorte)
ü⇿û (dünken - dûhte)
Der Begriff "Rückumlaut" geht zurück auf Jacob Grimm, der meinte, dass ein ursprünglicher Umlaut wieder beseitigt wurde. Diese Annahme lässt sich aber für das Germanische nicht nachweisen.
Allerdings ist der Begriff erhalten geblieben und findet sich auch in der aktuellen Ausgabe der Duden-Grammatik.
Für mitteldeutsche Texte ist zu bedenken, dass die graphische Kennzeichnung des Umlauts weithin unüblich ist, sodass man keine qualifizierte Aussage über das Vorliegen eines Rückumlauts treffen kann, vgl. Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik, § L 42, E 27.7.
So ergibt sich folgende Problematik: Das Verb „schützen“ gilt als rückumlautend, da seine Präteritalformen „schuzte“ – „geschuz(t)“ lauten.
Die mitteldeutsche Variante wird jedoch als ein einfaches schwaches Verb gekennzeichnet, da die Stammformen „schutzen“, „schuzte“, „geschuzt“ lauten, vgl. mitteldeutsch: „hôren“ – „hôrte“ –„gehôrt“.
Bei Verbformen aus Handschriften – also nicht in „normalisierten“ Editionen – sollte man stets folgendes Zitat im Hinterkopf haben:
„Nur bei den Umlautbezeichnungen e – a und ǟ – ā, die im Prät. mit ca. 60%–70% in den Hss. graphisch markiert sind, kann für die Erscheinung ‚Rückumlaut‘ überhaupt eine Aussage getroffen werden. Alle anderen Umlautgraphien treten erst im Verlauf des Mhd. in Erscheinung, im Präsens ebenso wie im Präteritum, so dass unmarkierte präteritale Formen ebenso für unmarkierten Umlaut wie für lautlich bedingten ‚Rückumlaut‘ stehen können.“
[KLEIN, Thomas, Hans-Joachim SOLMS, Klaus-Peter WEGERA, 2018. Mittelhochdeutsche Grammatik Teil II Flexionsmorphologie, Berlin, Boston, Seite 795]