Sinn und Zweck dieser Seiten für das Mittelhochdeutsche
Wer sich mit dem Mittelhochdeutschen beschäftigt, wird frühzeitig mit den Verben, besonders mit den starken Verben konfrontiert. Im Mittelhochdeutschen gibt es noch viel mehr starke Verben als im Neuhochdeutschen und sie sind nach Ablautreihen sortiert. Am Lernen der Ablautreihen führt kein Weg vorbei.
Wie viele starke Verben gibt es? Irgendwo fand ich die Zahl 370. Natürlich ist ihre Anzahl sehr viel größer, wenn man sämtliche Zusammensetzungen mit Vorsilben und Verbzusätzen mitzählt.
Durch Lexikonrecherchen konnte ich die Anzahl der starken Verben auf etwa 500 erhöhen und für die vorliegenden Programme nutzbar machen.
Eine weitere Auffälligkeit des Mittelhochdeutschen sind die Verben mit sogenanntem Rückumlaut. Im aktuellen Neuhochdeutsch gibt es davon laut Dudengrammatik gerade noch vier bis acht.
Im Mittelhochdeutschen ist deren Anzahl ungleich größer: Bei Lexikonrecherchen bin ich auf etwa 480 Verben mit „Rückumlaut“ gestoßen. Es dürfte noch einige mehr geben.
Bei meiner Arbeit habe ich mich vor allem der zwei online vorliegenden Lexika von Matthias Lexer und von Benecke, Müller, Zarncke bedient. – Beide gibt es bei woerterbuchnetz.de.
Die beiden Lexika haben den Vorteil, dass die Suche deutlich schneller vonstatten geht, als wenn man ein Lexikon in Papierform befragt.
Allerdings sollen ein paar Nachteile dieser Online-Lexika nicht verschwiegen werden.
Die online Ausgabe von Lexer gibt andere Ablautreihen an, als sie heute üblich sind, sodass man eine Umrechnungstabelle einsetzen muss:
Lexer
stv.
stv. red. (urspr. reduplizierende Verben):
I,1
I,2
I,3
I,4
II
III
I,1
I,2
I,3
II
III
Heutiger Standard
V
IV
III
VI
I
II
VII (urspl. reduplizierende Verben)
Bei Bennecke, Müller, Zarnke ergibt sich die Schwierigkeit, dass gerade bei den Verben nicht der Infinitiv, sondern die 1. Person Singular Präsens angegeben wird. Man muss also die Regeln zum ‚e-i‘-Wechsel bzw. zum ‚ie – iu‘ Wechsel kennen, um ein Wort in diesem Werk zu finden: „giuze“ führt einen dann zu „giezen“, „hil“ zu „heln“ oder „helen“…
In meinen Augen ist die Suchfunktion beider Lexika etwas schwierig zu bedienen. Deshalb wurde eine Seite programmiert,
die das Auffinden von Wörtern in beiden Werken ein wenig erleichtert.
Vielen Dank an die Dokumentation der Schnittstellen bei woerterbuchnetz.de!
Außerdem gibt es eine Anleitung zum Umgang mit der Suche bei Lexer hier auf diesen Seiten.
Wenn ich heute nochmals Mittelhochdeutsch lernen müsste …
Lerntipps in Bezug auf die mittelhochdeutschen Verben:
Die 2. Person Singular im Präteritum richtet sich bei den starken Verben nach der 1. Person Plural! "ich nam", "du næme"… "wir nâmen"
Die Ablautreihen sind elementar, man muss sie auswendig lernen! Aber nicht nur die signifikanten Vokale sind wichtig, ebenso bedeutsam sind die auf die Vokale folgenden Konsonanten Sie helfen bei der Unterscheidung zwischen den a- und b-Reihen und bei der Unterscheidung zwischen Ablautreihe IV und V und zwischen Ablautreihe VI und VII!
Der ‚e-i‘- ‚ie – iu‘-Wechsel umfasst im Mittelhochdeutschen auch die 1. Person Singular im Präsens - "ich hilfe" - , im Neuhochdeutschen tritt er nur noch bei der 2. und 3. Person Singular und im Singular des Imperativs auf: Nhd.: „ich trete“, „du trittst“, „er tritt“; „nimm das Buch“; „iss nicht so viel“…
Auch sollte man immer an die Verben mit Rückumlaut denken: Es gibt davon fast ebenso viele wie starke Verben.
Beim Erlernen des Mittelhochdeutschen sollte man folgende Zahlen im Hinterkopf haben, um die richtigen Schwerpunkte zu setzen: In literarischen Texten sind nur etwa 34 % der Verben schwach, etwa ein Drittel davon sind 'rückumlautende' Verben - ca. 11,5 % aller Verbformen. Rein schwach, also ohne Rückumlaut oder sonstige Besonderheiten, sind nur etwa 23 % aller Verben. Nichtschwache Verben - starke und Wurzelverben und Präterito-Präsentia - machen etwa 64 % aller Verben aus! [Basis für diese Aussage: Analyse von etwa 6950 Verbformen]
Manchen gelten sie als Kennzeichen eines mittelhochdeutschen Textes schlechthin: die kontrahierten Silben. Tatsächlich muss man stets damit rechnen, dass ein Wort in einer kontrahierten Form vorliegt. Das macht es dann schwer, beispielsweise den richtigen Infinitiv zu finden: "er treit" → "tragen"
Schließlich ist der Sprachwandel zu berücksichtigen. Ein mittelhochdeutsches Verb, das einem so bekannt vorkommt, bedeutet möglicherweise etwas ganz anderes: mhd."liegen" bedeutet "lügen", nhd. "liegen" findet man im Mittelhochdeutschen unter "ligen" usw. Siehe dazu auch "Fallstricke"
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