Grundwissen Grammatik
Vom Indoeuropäischen zum Germanischen
Bei der Entwicklung vom Germanischen zum Althochdeutschen bleiben als Kurzvokale erhalten:
a, e, i, u
Allerdings kann im Althochdeutschen …★ Starke Verben der Ablautreihe IIIa haben im Präsens durchgängig i wegen der Nasal+Konsonant-Kombination in der Folgesilbe. Grund dafür ist die Hebung e → i vor Nasal [m, n] + Konsonant. Im Partizip II behalten die Verben der AR IIIa das u wegen Nasal + Konsonant. [mhd. ich binde, wir binden, gebunden]
Bei der Entwicklung vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen bleiben als Kurzvokale in Hauptsilben erhalten:
a, e, i, o, u
Allerdings kann im Mittelhochdeutschen Beginn des 10. Jhs.
Ausgangspunkt … |
Zusammenfall in … | Endergebnis im Mhd. |
i → | e → | e [ə] [e-Schwa: wikipedia] |
e → | ||
a → | a → | |
o → | o → | |
u → |
Bei der Entwicklung vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen bleiben als Kurzvokale im Prinzip erhalten:
a, e, i, o, u, ä, ö, ü
Allerdings kann im NeuhochdeutschenSiehe aber auch „Besonderheiten des Neuhochdeutschen“ auf dieser Seite weiter unten
Vom Indoeuropäischen zum Germanischen
Indoeuropäisches ī bleibt germanisch ī.
Indoeuropäisches ū bleibt germanisch ū.
Indoeuropäisches eu bleibt germanisch. eu.
Indoeuropäisches ai oder oi wird zu germanisch ai.
Indoeuropäisches ou oder au wird zu germanisch au.
Bei der Entwicklung vom Germanischen zum Althochdeutschen bleiben als Langvokale erhalten:
ā, ī, ū
Bei der Entwicklung vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen bleiben als Langvokale erhalten:
alle Langvokale [ā → â, ē → ê, ī → î, ō → ô, ū → û]
Es treten aber auch neue Umlaute hinzu:
â → æ, ô → œ, û → iu [/ü:/] (Monophthong).
Auch bei den Diphthongen treten Umlaute auf: öu, üe.
[mhd. du næme, er stœzt, hiulen ← hûlte, du löufst, er rüeft]
Bei den Diphtongen gibt es außerdem folgende Änderungen:
Sonderfall Kontraktion - teilweise bereits im Althochdeutschen, schwerpunktmäßig aber im Mittelhochdeutschen:
Es entstehen hauptsächlich lange Vokale oder Diphthonge, manchmal auch kurze Vokale aus Silben, die „b“, „d“, „g“, „z“ oder „h“ enthalten: â/a, æ, ê/e, ei, î, ie, z. B. gesaget → geseit; geswigen → geswîn; traget, treget → treit; lâzen → lân usw.
Genaueres unter „Kontraktion“
Bei der Entwicklung vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen bleiben als Langvokale erhalten:
ê → nhd. zu ē (ggf. ee / eh geschrieben), ô → nhd. zu ō, ei → nhd. zu ei / ai.
Siehe aber auch „Besonderheiten des Neuhochdeutschen“ auf dieser Seite weiter unten
Der Begriff Monophthongierung bezeichnet die Entstehung eines Monophthongs aus einem Diphthong und zwar ...
•im Althochdeutschen:
Germanisch ai wird zu althochdeutschem ē vor h, r, w
Germanisch au wird zu althochdeutschem ō vor h und vor Dentalen.
•im Mittelhochdeutschen:
Althochdeutsch iu wird mittelhochdeutsch zu iu /ü:/, es ändert sich faktisch nur die Aussprache hin zu einem langen ṻ.
•im Neuhochdeutschen:
Mittelhochdeutsch ie wird neuhochdeutsch zu ī - gerne als ie geschrieben -
Mittelhochdeutsch uo wird zu ū.
Mittelhochdeutsch üe wird zu ṻ.
Der Begriff Diphthongierung bezeichnet die Entstehung eines Diphthongs aus einem Monophthong und zwar ...
•im Althochdeutschen:
Germanisch ō wird zu althochdeutschem uo, wenn umgelautet zu üe,
Germanisch ē² wird zu althochdeutschem ia.
•im Mittelhochdeutschen:
findet keine Diphthongierung statt.
•im Neuhochdeutschen:
Mittelhochdeutsch î wird zu ai / ei
Mittelhochdeutsch û wird zu au
Mittelhochdeutsch iu (≙ Monophthong!) zu eu / äu.
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A) Diphthongierung von î, û, iu und Monophthongierung von ie, uo, üe
1)
Diphthongierung:
-
mhd. î wird im nhd. zu ei
-
mhd. iu (Monophthong!) wird im nhd. zu eu
-
mhd. û wird im nhd. zu au
„mîn niuwez hûs” → „Mein neues Haus”
2) Monophthongierung
-
mhd. ie (Diphthong!) wird im nhd. zu ī
-
mhd. üe wird im nhd. zu ṻ
-
mhd. uo wird im nhd. zu ū
„lieber süezer bruoder” → „Lieber süßer Bruder”
B) Diphthongwandel mit Nukleussenkung
Nicht alle drei nhd. Diphthonge /aɪ/, /ɔʏ̯/, /aʊ/ sind durch Diphthongierung aus den mhd. Langvokalen /î/, /iu/, /û/ entstanden.
Es gibt auch nhd. Diphthonge, denen die mhd. Diphthonge /ei/, /öu/, /ou/ zugrunde liegen.
In diesem Fall spricht man von Diphthongwandel, denn sie werden etwas anders ausgesprochen:
Die mhd. Diphthonge /ei/, /öu/, /ou/ werden zu folgenden Diphthongen gewandelt:
/aɪ̯/ [Stein, klein];
/ɔʏ/ [Freude, Läufer];
/aʊ/ [Lauf, Baum].
Weil dabei der betonte Kernvokal (Nukleus) – e, o, ö - des Diphthongs gesenkt wird, spricht man auch von einer Nukleussenkung.
C) Vokaldehnung - Vokalkürzung
Unter Dehnung versteht man den Wandel von einem Kurzvokal zu einem Langvokal. Beim Übergang vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen kann man mehrere Prinzipien der Dehnung unterscheiden:
1. Dehnung in offener Tonsilbe
Mittelhochdeutsche Kurzvokale in offener, betonter Silbe werden im Neuhochdeutschen zu Langvokalen gedehnt. Dieser Vorgang heißt daher Dehnung in offener Tonsilbe.
- mhd. sagen /a/ → nhd. sagen /a:/
- mhd. zam /a/ → nhd. zahm /a:/
- mhd. leben /e/ → nhd. leben /e:/
- mhd. nehmen /e/ → nhd. nehmen /e:/
- mhd. vride /i/ → nhd. Friede /i:/
- mhd. geschriben /i/ → nhd. geschrieben /i:/
- mhd. wonen /o/ → nhd. wohnen /o:/
- mhd. sun /u/ → nhd. Sohn /o:/ + md. Senkung!
2. Dehnung in einsilbigen Wörtern vor Sonorant (l, m, n, r ≙ Nasale und Liquide)
Auch in einsilbigen Wörtern mit geschlossenen Silben vor l, m, n, r kann die Dehnung eintreten.:
- mhd. wol /o/ → nhd. wohl /o:/
- mhd. er /e/ → nhd. er /e:/
- mhd. dem /e/ →nhd. dem /e:/
- mhd. im /i/ → nhd. ihm /i:/
- mhd. mir /i/ →nhd. mir /i:/
- mhd. in /i/ → nhd. ihn /i:
Unter Kürzung versteht man den Wandel von einem Langvokal zu einem Kurzvokal. Sie tritt im Neuhochdeutschen seltener und nicht unbedingt regelmäßig auf …
- vor ht: mhd. dâhte → nhd. dachte
- vor r+Konsonant: mhd. hôrchen → nhd. horchen; mhd. lêrche > nhd. Lerche
- bei der Verschiebung der Silbengrenze in den Mittelkonsonanten: mhd. râche → nhd. Rache,
mhd. lâzen → nhd. lassen
Auch die aus /ie/, /uo/, /üe/ entstandenen langen Vokale /i:/, /u:/, /ü:/ können vor Konsonantenkäufuung und vor -m, -en, -t, -er, -el gekürzt werden:
mhd. gienc → nhd. ging, mhd. vienc → nhd. fing, mhd. vierzec → nhd. vierzig, mhd. muoter → nhd. Mutter, mhd. müezen → nhd. müssen, mhd. muoz → nhd. muss
D) Rundung und Entrundung
Durch Lippenrundung entstehen aus den Vokalen /â/, /e/ und /i/ die Laute /o:/, /œ/ und /y/.
Der lautliche Wandel von /â/ → /o:/, /e/ → /œ/ und /i/ → /y/ wird daher als Rundung bezeichnet. Der umgekehrte Vorgang heißt Entrundung.
Die Rundung tritt häufig in bestimmten lautlichen Umgebungen ein:
- vor oder nach Sonorant [Nasale und Liquide: l, m, n, r]
- vor oder nach /Σ/ (sch)
- vor oder nach /w/
- vor /d/ oder /t/ (selten; nur bei Rundung von /â/ → /o/)
1. Rundung:
- mhd. âne → nhd. ohne (Rundung vor Nasal)
- mhd. âtem → fnhd. Odem (Rundung vor /t/)
- mhd. helle → nhd. Hölle (Rundung vor Liquid)
- mhd. zwelf → nhd. zwölf (Rundung vor Liquid und nach /w/)
- mhd. schepfen → nhd. schöpfen (Rundung nach /Σ/)
- mhd. leschen → nhd. löschen (Rundung nach Liquid und vor /Σ/)
- mhd. lewe → nhd. Löwe (Rundung nach Liquid und vor /w/ + Dehnung in offener Tonsilbe)
- mhd. swern → nhd. schwören (Rundung nach /w/ und vor Liquid + Dehnung in offener Tonsilbe)
- mhd. finf, fünf → nhd. fünf (Rundung vor Nasal)
- mhd. wirde → nhd. Würde (Rundung vor Liquid und nach /w/)
- mhd. küssen → nhd. (das) Kissen (Entrundung)
- mhd. mügen → nhd. mögen (Entrundung)
- mhd. stætec → nhd. stetig (Entrundung)
Rundung und Entrundung werden im Neuhochdeutschen nicht konsequent durchgeführt. Es gibt zahlreiche Wörter, bei denen die Vokale sich nicht ändern.. Z.B.: mhd. hel → nhd. hell („laut, glänzend, hell“), mhd. snel → nhd. schnell, mhd. snepfe → nhd. Schnepfe, mhd. küssen → nhd. küssen.
E) Mitteldeutsche Senkung (vor Nasal), die im Neuhochdeutschen erhalten geblieben ist.
Senkung heißt: Wandel von einem höher gelegenen Vokal zu einem tiefer gelegenen Vokal.
Diese Senkung betrifft meist den Wandel von mhd. /u/ → nhd. /ɔ/, aber auch den Wandel von
/ü/ → nhd. /œ/.
Die md. Senkung tritt häufig vor einem Nasal ein.
- mhd. sumer /u/ → nhd. Sommer /ɔ/ (Senkung vor Nasal)
- mhd. wunne /u/ → nhd. Wonne /ɔ/ (Senkung vor Nasal)
- mhd. gunnen/günnen /u/, /ü/ → nhd. gönnen /œ/ (Senkung vor Nasal)
Senkung kombiniert mit Dehnung:
- mhd. sun /u/ → fnhd. son /o/ → nhd.Sohn /o:/ (Senkung vor Nasal; Dehnung)
- mhd. künec /ü/ → nhd. König /ø:/ (Senkung vor Nasal; Dehnung)