Grundwissen Grammatik
In folgender Übersicht sind die Konjunktivformen, die mit dem Indikativ zusammenfallen, kursiv gesetzt.
Bei den schwachen Verben ist im Präsens
nur die 3. Person Singular Konjunktiv von den Formen des Indikativs unterscheidbar.
Im Präteritum
fallen bei den schwachen und 'rückumlautenden' Verben und bei den Präterito-Präsentia im Prinzip sämtliche Formen des Konjunktivs schwacher Verben mit denen des Indikativs zusammen. Es gibt jedoch Ausnahmen:
Im Althochdeutschen wurde der Konjunktiv II noch mit i gebildet, sodass er in hochfrequenten Bereichen auch im Mittelhochdeutschen durch Umlaut erhalten blieb. Es sind dies
„a) synkopierte Präterita aus md. Dialekten, z. B. brennen / brente […];
b) Präterita von Präteritopräsentien, z. B. kunnen / künde […];
c) ursprünglich bindevokallose Präterita mit Primärberührungseffekt, z. B.
denken / dæhte, dünken / diuhte […].“1
Schwache Verben
Präsens Indikativ und Konjunktiv I
| Präsens | Indikativ | Konjunktiv | ||
| ich | vrâge | hœre | vrâge | hœre |
| du | vrâgest | hœrest | vrâgest | hœrest |
| er, siu, ez | vrâget | hœret | vrâge | hœre |
| wir | vrâge(n)(1) | hœren | vrâgen | hœren |
| ir | vrâget | hœret | vrâget | hœret |
| sie | vrâgen(t)(2) | hœren | vrâgen | hœren |
Präteritum Indikativ und Konjunktiv II
| Präteritum | Indikativ | Konjunktiv II | ||
| ich | vrâgete(3), vrâgte(4) | hôrte(5) | vrâgete, vrâgte | hôrte, hœrte (7) |
| du | vrâgetest, vrâgtest | hôrtest | vrâgetest(6), vrâgtest | hôrtest, hœrtest |
| er, siu, ez | vrâgete, vrâgte | hôrte | vrâgete, vrâgte | hôrte, hœrte |
| wir | vrâgeten, vrâgten | hôrten | vrâgeten, vrâgten | hôrten, hœrten |
| ir | vrâgetet, vrâgtet | hôrtet | vrâgetet, vrâgtet | hôrtet, hœrtet |
| sie | vrâgeten, vrâgten | hôrten | vrâgeten, vrâgten | hôrten, hœrten |
| Partizip II | gevrâget, gevrâgt(8) | gehôrt, gehœret (9) | ||
(1) In etwa 10% aller Belege kann in der 1. Person Plural Präsens das n entfallen.
(2) Die 3. Person Plural Präsens Indikativ endet auf -ent oder auf -en.
(3/4) Die Präteritalendung der schwachen Verben erscheint im Mhd. in zwei Varianten: Sie kann vokalhaltig (sag-ete) oder vokallos (sag-te) belegt sein.
(4) Synkope: Wegfall eines Vokals in Nebensilben eines Wortes. Sie tritt im Oberdeutschen öfter als im Mitteldeutschen auf. Am häufigsten erfolgt Synkope nach stammauslautendem Liquid oder Nasal .
(5) Die meisten im Althochdeutschen schwachen ehemaligen jan-Verben des Mhd. bilden das Präteritum ohne Zwischenvokal – Synkope(4). Umlautfähige Verben dieser ehemaligen Subklasse haben bei umgelautetem Präsensstamm keinen Umlaut in den Präteritalformen: 'Rückumlaut' .
(6) Im Oberdeutschen endet die 2. Person Singular Präteritum Indikativ der schwachen Verben in der Regel auf -est (du machtest). Im Mittelfränkischen und Ostmitteldeutschen erscheint ausschließlich die Endung -es (du liebtes).
(7) Im Oberdeutschen gibt es bei schwachen und 'rückumlautenden' Verben bis auf wenige Ausnahmen keinen Unterschied zwischen den Konjunktiv Präteritumsformen und dem Indikativ Präteritum. Im Mitteldeutschen treten bei 'rückumlautenden' Verben auch umgelautete Konjunktiv-II-Formen mit dem Präsensvokal auf.1
(8) Während drei Viertel der finiten Präteritalformen schwacher Verben mit vokalloser Endung gebildet werden (lobte), sind es bei den Partizipien des Präteritums weniger als die Hälfte, bei denen sich eine Endung ohne Vokal belegen lässt (gelobt vs. gelobet).
(9) Im Partizip Präteritum der 'rückumlautenden' Verben existieren jeweils beide Formen: unumgelautete Partizipien ohne Zwischenvokal und umgelautete Partizipien mit Zwischenvokal.
Starke Verben
Präsens Indikativ und Konjunktiv I
| Präsens | Indikativ | Konjunktiv | ||
| ich | nime, nim(10) | biuge | neme | biege |
| du | nimest, nimst(4) | biugest | nemest | biegest |
| er, siu, ez | nimet, nimt | biuget | neme | biege |
| wir | nemen | biegen | nemen | biegen |
| ir | nemet | bieget | nemet | bieget |
| sie | nement, nemen(2) | biegen(t) | nemen | biegen |
Präteritum Indikativ und Konjunktiv II
| Präteritum | Indikativ | Konjunktiv II | ||
| ich | nam | bouc | næme | büge |
| du | næme(11) | büge | næmest(12) | bügest |
| er, siu, ez | nam | bouc | næme | büge |
| wir | nâmen | bugen | næmen | bügen |
| ir | nâmet | buget | næmet | büget |
| sie | nâmen | bugen | næmen | bügen |
| Partizip II | genomen | gebogen |
(10) Apokope: Wegfall eines Vokals am Ende eines Wortes. Sie tritt im Oberdeutschen stärker als im Mitteldeutschen auf. Gerne schwindet der Vokal nach Nasalen und Liquiden (AR IV!). Im Konjunktiv (1./ 3. Person Singular Präsens) sind endungslose Formen erheblich seltener als im Indikativ.
(11) Die 2. Person Singular Präteritum Indikativ der starken Verben endet regelmäßig auf -e (du büge): Im Oberdeutschen und Ostfränkischen dominiert -e, im Mittelfränkischen ist die Endung -es (du büges) regelmäßig. Die 2. Person Singular Präteritum richtet sich in ihrem Vokalbestand nach der Ablautstufe des Plurals, ggf. mit Umlaut .
(12) Im Oberdeutschen ist bei starken Verben in der 2. Person Präteritum Konjunktiv die Endung -est regelmäßig (du wærest), im Mitteldeutschen herrscht -(e)s (du wæres) vor.
1) BRAUNE, Wilhelm. Althochdeutsche Grammatik. 17. Auflage. Neu bearbeitet von Frank Heidermanns. 1886, S.392 f., § 322 (M 3.2.2.2), Anm. 3.
Siehe auch Jan Henning Schulze über den Wegfall des Umlauts in Konjunktiv-II-Formen bei schwachen Verben:„Eine Ausnahme dazu bilden allerdings hochfrequente Wörter bzw. solche Wörter, die häufig im Optativ Präteritum gebraucht werden. Untersucht man etwa die Präterito-Präsentien, so zeigt sich, dass sie im Optativ Präteritum den Umlaut durchaus behalten. Im Mittelhochdeutschen etwa lauten die Präteritumformen von durfen: dorfte im Indikativ und dörfte im Konjunktiv Präteritum. Auch ein Wort wie mhd. denken wird durchaus öfter mal irreal gebraucht. Dementsprechend häufig sind die Optativformen im Althochdeutschen belegt [...] Im Mittelhochdeutschen zeigt sich, dass hier der Umlaut bewahrt geblieben ist. Die Präteritumformen der 3. Sg. lauten mhd. dahte (Ind.) − dähte (Konj. Prat.). [Vgl. auch Nübling (2000) sowie Nübling & Dammel (2004) zum Einfluss der Gebrauchsfrequenz auf die Regularitat und Irregularitat der Formbildung.]“ SCHULZE, Jan Henning. Koartikulationskompensation und Irregularität. S. 9, online im Internet