Kurzvokale
Vom Indoeuropäischen zum Germanischen
- Bei der Entwicklung vom Indoeuropäischen zum Germanischen bleibt e als Kurzvokal erhalten, wenn es nicht zum i wird.
Das ist relevant für …
den Plural Präsens der starken Verben der AR IIIb, IV, V. [mhd. helfen, nemen, geben]
- Das indoeuropäische u als Kurzvokal bleibt als germanisches u erhalten.
Das ist relevant für …
die starken Verben der AR IIa und IIb, weil u in der Schwundstufe erhalten bleibt, so im Plural Präteritum [mhd. bugen, buten], beim Partizip II wird es erst im Althochdeutschen zu o gesenkt.
- Aus den indoeuropäischen Liquiden und Nasalen ḷ, ṃ, ṇ, ṛ entsteht ein weiteres germanisches u als Sprossvokal bei der Schwundstufe als Kurzvokal, das mit dem ursprünglichen u zusammenfällt.
Der Sprossvokal u bei der Schwundstufe ist relevant für …
den Plural Präteritum der starken Verben IIIa und IIIb. [mhd. bunden, hulfen]
Und er ist relevant für das Partizip II der starken Verben der AR IIIa und IIIb und IV im Germanischen.
[Beim Partizip II tritt zum Althochdeutschen hin dann eine Senkung zu o in den AR IIIb und IV auf, im Mittelhochdeutschen o. Diese Senkung unterbleibt wegen Nasal+Konsonant in AR IIIa]
- Das indoeuropäische i als Kurzvokal bleibt als germanisches i erhalten.
Das ist relevant für …
die starken Verben der AR Ia und Ib, weil i in der Schwundstufe erhalten bleibt, so im Plural Präteritum und beim Partizip II [mhd. (ge)bizzen, (ge)digen].
- Im Germanischen a sind das indoeuropäische a und o zusammengefallen.
Das a in der 1. und 3. Person Singular im Präteritum der mittelhochdeutschen Verben der Klassen III, IV und V geht zurück auf …
indoeuropäisches o [mhd. bant, half; nam; gap].
Bei der Entwicklung vom Germanischen zum Althochdeutschen bleiben als Kurzvokale erhalten:
a, e, i, u
Allerdings kann im Althochdeutschen
- ein e durch Umlaut (Primärumlaut) auch von einem germanischen a herrühren, wenn i, j in der Folgesilbe vorhanden sind:
Das ist relevant für …
die 2. und 3. Person Singular Präsens der starken Verben mit a im Infinitiv: AR VI und AR VIIa(7a) [mhd. er vert, er helt].
- ein i durch Wandel auch von einem germanischen e herrühren.
Das ist relevant für …
das gesamte Präsens der starken Verben der AR IIIa, hervorgerufen durch die folgende Nasalverbindung [Nasal+Konsonant] [mhd. ich binde, wir binden].
- ein i durch Wandel auch von einem germanischen e herrühren (Hebung), wenn i, j, u in der Folgesilbe vorhanden sind:
Das ist relevant für …
den e-i-Wechsel zwischen Singular und Plural Präsens der starken Verben mit e im Infinitiv: AR IIIb, IV, V [mhd. ich hilfe, wir helfen; ich nime, wir nemen; ich gibe, wir geben]
- ein o durch Senkung von einem germanischen u herrühren, wenn kein i, j, u oder Nasal+Konsonant, sondern a in der Folgesilbe vorhanden ist:
Das ist relevant für …
die Partizip-II-Formen der AR IIa, IIb, IIIb und IV, bei denen das o durch Senkung des u entsteht [mhd. gebogen, geboten, geholfen, genomen], im Gegensatz zu den ebenfalls schwundstufigen Pluralformen des Präteritums mit u der starken Verben der AR IIa und IIb, IIIa und IIIb.
Bei der Entwicklung vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen bleiben als Kurzvokale erhalten:
a, e, i, o, u - allerdings treten nun auch die Umlaute e, ä, ö, ü auf.
Langvokale und Diphthonge
Vom Indoeuropäischen zum Germanischen
- Bei der Entwicklung vom Indoeuropäischen zum Germanischen
entsteht ō aus …
ide. ā
/ ō und wird dann im Althochdeutschen diphthongiert zu uo, mhd. uo [mhd. ich vuor, wir vuoren, ruofen]
- Indogermanisches ei bleibt zunächst germanisch ei, wird aber dann zu germanischem ī
Das ist relevant …
für das Präsens der starken Verben der Ablautreihe Ia und Ib, im Mhd. î [mhd. bîzen, dîhen].
Bei der Entwicklung vom Germanischen zum Althochdeutschen bleiben als Langvokale erhalten:
ā, ī, ū
-
Germanisch ō wird im Althochdeutschen zu?
Germ. ō wird zu ahd. uo (Diphthongierung), [auch zu oa, ua]; wenn umgelautet zu üe.
Relevant für das Präteritum der starken Verben der Ablautreihe VI, im Mhd. uo [mhd. ich vuor, wir vuoren], und für das Präsens der Verben der Ablautreihe VIIb(7f) [mhd. ruofen].
-
Germanisch e¹ wird im Althochdeutschen zu?
Germ. e¹ wird zu ahd. ā.
Relevant für den Plural Präteritum - Dehnstufe - der starken Verben der Ablautreihe IV und V, im Mhd. â [mhd. wir nâmen, wir gâben]
.
-
Germanisch e²(ē) wird im Althochdeutschen zu?
Germ. e² wird zu ahd. ia (Diphthongierung), [auch zu ea, ie].
Relevant für das Präteritum, nicht das Partizip II, der starken Verben der Ablautreihe VIIa, im Mhd. ie [mhd. ich hielt, ich liez, ich hiez]
-
Germanisch eu wird im Althochdeutschen vor a, e, o zu?
Germ. eu wird zu ahd. io (Senkung vor a,e,o).
Relevant für Präsens Plural der starken Verben der Ablautreihe IIa und IIb, im Mhd. ie [mhd. wir biegen, wir bieten],
und
für das Präteritum, nicht das Partizip II, der starken Verben der Ablautreihe VIIb, im Mhd. ie [mhd. wir stiezen, wir liefen, wir riefen].
-
Germanisch eu wird im Althochdeutschen vor u, i, j zu?
Germ. eu wird zu ahd. iu.
Relevant für Präsens Singular der starken Verben der Ablautreihe IIa und IIb, im Mhd. iu. [mhd. ich biuge, ich biute]
-
Germanisch ai wird im Althochdeutschen zu?
Germ. ai wird zu ahd. ē (Monophthongierung) vor h, r, w.
Relevant für die 1. und 3. Person Singular Präteritum der starken Verben der Ablautreihe Ib, im Mhd. ê [mhd. dêch].
Germ. ai wird zu ahd. ei, wenn nicht vor h, r, w.
Relevant für die 1. und 3. Person Singular Präteritum der mhd. Ablautreihe Ia (ei) [mhd. ich beiz] oder Ib(ē)!
-
Germanisch au wird im Althochdeutschen zu?
Germ. au wird zu ahd. ou, außer vor h und vor Dentalen.
Germ. au wird zu ahd. ō vor h und vor Dentalen (Monophthongierung).
Relevant für die 1. und 3. Person Singular Präteritum der Ablautreihe IIa (ou) [mhd. bouc] oder IIb (ō)
[mhd. bôt] .
Bei der Entwicklung vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen bleiben als Langvokale erhalten:
Alle Langvokale [ā → â, ē → ê, ī → î, ō → ô, ū → û]
Es treten aber auch neue Umlaute hinzu: â → æ, ô → œ, û → iu [/ü:/] (Monophthong).
Auch bei den Diphthongen treten Umlaute auf:
öu, üe
Bei den Diphtongen gibt es außerdem folgende Änderungen:
-
Althochdeutsch ia wird im Mittelhochdeutschen zu?
Ahd. ia wird mhd. zu ie (Diphthong!).
Relevant für das Präteritum, nicht das Partizip II, der starken Verben der Ablautreihe VIIa, im Mhd. ie
[mhd. ich hielt, ich liez, ich hiez]
-
Althochdeutsch io wird im Mittelhochdeutschen zu?
Ahd. io wird mhd. zu ie (Diphthong!).
Relevant für das Präteritum, nicht das Partizip II, der starken Verben der Ablautreihe VIIb, im Mhd. ie
[mhd. wir stiezen, wir liefen, wir riefen]
-
Althochdeutsch iu wird im Mittelhochdeutschen zu?
Ahd. iu (Diphthong!) wird mhd. zu iu [/ü:/] (Monophthong!)
.
Bei der Entwicklung vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen bleiben als Langvokale erhalten:
ê → nhd. zu ē (ggf. ee / eh geschrieben), ô → nhd. zu ō, ei → nhd. zu ei / ai
-
Mittelhochdeutsch â wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. â bleibt nhd. ā, kann aber auch zu o gesenkt werden: âne → ohne, mâne → Mond
.
-
Mittelhochdeutsch æ wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. æ wird nhd. zu ǟ oder ē
.
-
Mittelhochdeutsch î wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. î wird nhd. zu ei / ai (Diphthongierung)
.
-
Mittelhochdeutsch œ wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. œ wird nhd. zu langem ȫ
-
Mittelhochdeutsch û wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. û wird nhd. zu au (Diphthongierung)
-
Mittelhochdeutsch iu (Monophthong) wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. iu wird nhd. zu eu / äu (Diphthongierung)
.
-
Mittelhochdeutsch ie (Diphthong) wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. ie wird nhd. zu ī (Monophthongierung)
.
-
Mittelhochdeutsch uo wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. uo wird nhd. zu ū (Monophthongierung)
.
-
Mittelhochdeutsch üe wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. üe wird nhd. zu langem ṻ (Monophthongierung)
.
-
Mittelhochdeutsch ou wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. ou wird nhd. zu au. -
Mittelhochdeutsch öu / eu wird im Neuhochdeutschen zu?
Mhd. öu / eu wird nhd. zu äu / eu
.
Zusammenfassung:
Neuhochdeutsches ā: aus …
mhd. â aus ahd. ā aus germ. a, ē¹
Neuhochdeutsches ǟ: aus …
mhd. æ aus ahd. ā aus germ. a, ē¹ (im Mhd. umgelautet)
Neuhochdeutsches ē: aus …
mhd. æ aus ahd. ā aus germ. a, ē¹ (im Mhd. umgelautet)
Neuhochdeutsches ē: aus …
mhd. ê aus ahd. ē aus germ. ai, nicht aus germ. e!
Neuhochdeutsches ī: (monophthongiert) aus …
mhd. ie (Diphthong) aus ahd. ia, io aus germ. ē², eu, nicht aus mhd. î!
Neuhochdeutsches ō: aus …
mhd. ô aus ahd. ō aus germ. au
Neuhochdeutsches ū: (monophthongiert) aus …
mhd. uo aus ahd. uo aus germ. ō, nicht aus mhd. û!
Neuhochdeutsches ü: (monophthongiert) aus …
mhd. üe aus ahd. uo aus germ. ō, (umgelautet), nicht aus mhd. iu!
Neuhochdeutsches ai / ei: (diphthongiert) aus …
mhd. î, aus ahd. ī aus germ. ī oder aus ahd. ei aus germ. ai
Neuhochdeutsches au: (diphthongiert) aus …
mhd. û aus ahd. ū aus germ. ū bzw. aus ahd. ou aus germ. au
Neuhochdeutsches äu / eu: (diphthongiert) aus …
mhd. iu /ü/ (Monophthong) aus ahd. ū aus germ. ū bzw.aus mhd. öu / eu aus umgelautetem ahd. ou aus germ. au
Der Begriff Monophthongierung bezeichnet die Entstehung eines Monophthongs aus einem Diphthong und zwar ...
im Althochdeutschen:
Germanisch ai wird zu althochdeutschem ē vor h, r, w und germanisch au wird zu althochdeutschem ō vor h und vor Dentalen.
im Mittelhochdeutschen:
Althochdeutsch iu wird mittelhochdeutsch zu iu /ü:/, es ändert sich faktisch nur die Aussprache hin zu einem langen ṻ.
im Neuhochdeutschen:
Mittelhochdeutsch ie wird neuhochdeutsch zu ī - gerne als ie geschrieben, mittelhochdeutsch uo wird zu ū und üe zu ṻ.
Der Begriff Diphthongierung bezeichnet die Entstehung eines Diphthongs aus einem Monophthong und zwar ...
im Althochdeutschen:
Germanisch ō wird zu althochdeutschem uo, wenn umgelautet zu üe, germanisch ē² wird zu althochdeutschem ia.
im Mittelhochdeutschen:
findet keine Diphthongierung statt.
im Neuhochdeutschen:
Mittelhochdeutsch î wird neuhochdeutsch zu ei /ai, mittelhochdeutsch û wird zu au und mittelhochdeutsch iu (≙ Monophthong!) zu eu / äu.
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